Sehen sich Berater und Fondsanbieter weiteren Ansprüchen geschädigter Anleger ausgesetzt?
16.10.2025

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Neben der PRIIP-Thematik gilt es für Fondsanbieter, die Bewertungsmechanik der Immobilien im jeweiligen Fonds zu beachten. Offene Immobilienfonds nutzen zur Wertermittlung der Immobilien zumeist das Ertragswertverfahren. Der Verkehrswert der Immobilie sollte durch den Preis bestimmt werden, der zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt der UniImmo: Wohnen ZBI eindrucksvoll: Zur Liquiditätsbeschaffung wegen vermehrter Anteilsscheinrückgaben mussten Immobilien veräußert werden, deren Verkehrswert vom Buchwert um bis zu -96 % abwichen. Differenzen zwischen Buchwert und Verkehrswert sind nichts Ungewöhnliches. Art und Maß der Abweichungen innerhalb eines Portfolios sollte aufmerksame Finanzfachleute und Berater mit Spezialisierung auf Immobilien jedoch aufhorchen lassen. Sollte es sich bei einem Fonds herausstellen, dass der Buchwert der Immobilien systematisch zu hoch angesetzt wurde, könnte sich die Fondsgesellschaft einer weiteren Angriffsfläche gegenübersehen.
Schließlich gab es in der Zwischenzeit ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15.05.2025 (Az. 12 O 287/24, nicht rechtskräftig), das auch Berater offener Immobilienfonds ins Visier nimmt. Das Gericht hatte entschieden, dass offene Immobilienfonds nicht für konservative Anleger geeignet seien, weil der Werterhalt (und das Wertwachstum) des eingesetzten Geldes in einen offenen Immobilienfonds mit anderen konservativen Anlagen – welche auf reinen Wertzuwachs gerichtet sind – nicht zu vergleichen sei. Ein stetiger Wertzuwachs ist bei offenen Immobilienfonds nicht gewährleistet. Das Fondsmanagement kann negative Entscheidungen treffen, die die Rendite des Fonds beeinflussen, zudem können Immobilien einen Wertverlust erfahren. Ein offener Immobilienfonds eigne sich daher nicht als Empfehlung für konservative Anleger. Gleiches dürfte mit ähnlicher Begründung für risikoscheue Anleger gelten, fürchten auch sie das Risiko des Wertverlustes und sind abgeneigt gegen Kursvolatilität. Berater, welche Senioren oder kurz vor der Rente stehenden Personen offene Immobilienfonds „für eine sichere Rente“ angeboten haben, sollten nach diesem Urteil ihre Anlagestrategie entsprechend anpassen und auf die Risiken offener Immobilienfonds deutlich hinweisen.
Wir verzeichnen eine zunehmende Unruhe bei Fondsanbietern offener Immobilienfonds. Vorsorglich wurden bei einigen offenen Immobilienfonds die Anteilsausgaben ausgesetzt – zu groß war die Unsicherheit hinsichtlich des Urteils des LG Nürnberg-Fürth und der damit einhergehenden Konsequenzen für eine falsche Darstellung der Risikobewertung. Einige Fondsanbieter – darunter ZBI – haben ihre Fonds für den Vertrieb wieder geöffnet, diesmal mit einem ausgewiesenen Risikoindikator von 4 (erhöhtes Risiko). Der Vertrieb selbst agiert weiterhin bullish für offene Immobilienfonds und versucht, diese in herkömmlicher Manier an überwiegend ältere Menschen als vermeintlich risikofreies Investment zu verkaufen. Ausgehend vom Urteil des LG Stuttgart, aber auch weiteren bereits anhängigen Klagen oder noch einzureichenden Klagen, sollte jedem freien Berater, aber auch jedem Bankberater klar sein: Je mehr Urteile zugunsten geschädigter Verbraucher wegen Falschberatung entschieden werden, desto mehr geschädigte Anleger fassen Vertrauen in die Justiz und werden selbst wegen vermeintlicher Falschberatung aktiv. Eine weitere Klagewelle – diesmal den Vertrieb treffend – könnte folgen. Die Auswirkungen erfolgreicher Klagen liegen auf der Hand: Das Ergebnis wird die Rückabwicklung sein, die Rückgabe der Anteilsscheine Zug-um-Zug gegen Herausgabe der Einlage. Der jeweilige offene Immobilienfonds wird demnach Liquidität benötigen, um die Rückgaben bedienen zu können. Hierzu müssten die zu hoch bewerteten Immobilien neu bewertet und verkauft werden – dasselbe Spiel mit den Abwertungen der NAV offener Immobilienfonds ginge so heiter weiter.
Ein Beitrag von Christian Palme, Rechtsanwalt, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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