Megathema Demografie

11.02.2013

„finanzwelt" am Puls der Zeit. Während Metropolen wie Hamburg oder München boomen, veröden ganze Landstriche. Das demografische Problem ist zweifellos ein großes und eben nicht nur auf ein Land begrenzt. Die Redaktion sprach exklusiv mit Nicky Stafford und Hilary Natoff, den beiden Managerinnen des Fidelity Global Demographics Fund.

finanzwelt: Demografie – ein globales, vielschichtiges Thema. Inwiefern sind entsprechende Investments derzeit eine lukrative Option?

Natoff: Betrachtet man die Weltwirtschaft, so fällt auf, dass die Konjunkturzyklen immer kürzer werden, die Zentralbanken sich mit ihren beispiellosen quantitativen Lockerungen auf unbekanntes Terrain begeben und die Unternehmensgewinne sich – zumindest kurzfristig – schwerer vorhersagen lassen denn je. Ganz anders sieht es bei den demografischen Trends aus, die langsam vonstattengehen und relativ gut vorhersagbar sind. Wir können mit ziemlich hoher Sicherheit sagen, wie viele Menschen jedes Jahr in jedem Land geboren werden. Auch können wir recht verlässliche Aussagen über die Lebenserwartung der Menschen treffen. Wir wissen, wie sich das Durchschnittsalter in einzelnen Ländern verändert und können so mit einem hohen Maß an Sicherheit vorhersagen, wie sich das Ausgabeverhalten in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Stafford: Demografische Trends gehören heute weltweit zu den Faktoren, die den größten und nachhaltigsten Einfluss auf die Entwicklung von Unternehmen ausüben. Und das wird auch noch lange so bleiben. Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten gibt es zahlreiche Unternehmen mit beständig wachsenden Gewinnen, die ihren Anlegern erstklassige und stabile Renditen bieten. Unternehmen, die von demografischen Trends profitieren, können selbst in konjunkturellen Abschwungphasen dauerhaft wachsen. Mit Anlagen in diese Unternehmen dürften wir überdurchschnittliche Renditen erzielen können, denn auf Dauer wird beständiges Gewinnwachstum vom Markt belohnt.

finanzwelt: Welche Faktoren begünstigen entsprechende Investments?

Natoff: Anders als Konjunkturzyklen schreiten demografische Trends wie Wachstum und Alterung der Bevölkerung oder die Ausweitung der Mittelschicht eher langsam voran und sind gut vorhersagbar. Bei vielen Unternehmen wird die Ertragskraft erheblich durch den demografischen Wandel begünstigt, denn weltweit wächst die Bevölkerung und werden die Menschen wohlhabender und älter. Die Folgen des demografischen Wandels machen sich überall bemerkbar: So nehmen altersbedingte Erkrankungen zu, und immer mehr alte Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Zudem wächst in den Schwellenländern eine neue Mittelschicht heran, die immer konsumfreudiger wird. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. In die Nutznießer des demografischen Wandels zu investieren, dürfte sich für Anleger mittel- bis langfristig lohnen, denn die hiermit verbundenen Trends werden sich mit der Zeit immer stärker auf die Gewinne der Unternehmen auswirken.

finanzwelt: Ein „Megathema" ist auf den ersten Blick argumentativ leicht verständlich – aber gibt es auch Risiken, die es zu beachten gilt (Kürzungen in F&E-Budgets etc.)?

Natoff: Einige Unternehmen bzw. Branchen reagieren empfindlicher auf die gesamtgesell-schaftlichen Risiken, die mitunter die positiven Folgen des demografischen Wandels überlagern können. Das macht ihre Aktien anfälliger für Schwankungen. Nehmen wir als Beispiel Finanzaktien aus den Industrieländern. In der Theorie müssten sie eigentlich von der Alterung der Bevölkerung profitieren, da der Bedarf an Altersvorsorgeprodukten steigt. Mit der Finanzkrise wurde jedoch offensichtlich, dass sie wegen ihrer komplexen Geschäftsmodelle, der damit oft verbundenen hohen Verschuldung und ihrer starken Verflechtung untereinander anfällig für Misstrauen, Liquiditätsengpässe und schärfere Regulierung seitens des Staates sind. Ähnlich verhält es sich bei Rohstoffaktien, die sehr häufig überproportional stark unter Konjunkturschwankungen leiden. Genau aus diesem Grund meiden wir Unternehmen, die empfindlicher auf externe Faktoren reagieren. Bei der Auswahl unserer Anlagewerte achten wir besonders darauf, dass demografische Faktoren den wichtigsten Einfluss auf das Wachstum der Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren und auch darüber hinaus haben.

Stafford: Industriezweige und Unternehmen zu identifizieren, die mit ziemlicher Sicherheit vom demografischen Wandel profitieren werden, ist aber nur der erste Schritt zu einer erfolgreichen Anlage. Entscheidend ist eine sorgfältige Analyse jedes einzelnen Unternehmens. Unser Ziel ist es, in die Stärksten einer Branche zu investieren. In Anbieter mit einzigartigen Produkten, mit erfahrener Geschäftsführung, einer guten Corporate Governance und einer Bewertung, in der sich das langfristige Wachstumspotential noch nicht widerspiegelt. Mit unseren Analysten an allen wichtigen Standorten auf der ganzen Welt verfolgen wir die Entwicklungen in den einzelnen Unternehmen genau. Das ist ein unschätzbarer Vorteil, wenn es darum geht sicherzustellen, dass unsere Anlagethese weiterhin realistisch ist.

finanzwelt: Bitte erläutern Sie Ihren Investitionsansatz etwas näher.

Natoff: Am Anfang steht die Suche nach Unternehmen, bei denen demografische Faktoren den größten Einfluss auf das Wachstum haben. Für eine Anlage kommen für uns zwei Arten von Unternehmen infrage: Die erste nennen wir die „Gewinner von heute". Hierzu gehören vor allem weltweit führende und in ihrem jeweiligen Bereich marktbeherrschende Akteure. Sie profitieren bereits von demografischen Trends, die es ihnen seit vielen Jahren ermöglichen, ein solides Gewinnwachstum und selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hohe Renditen zu erwirtschaften. In der Regel handelt es sich hierbei um größere, in den Industrieländern börsennotierte Unternehmen, die jedoch häufig über weltweite Absatzmärkte verfügen, über die sie den demografischen Wandel in den Schwellenländern Gewinn bringend nutzen können. Diese verlässlichen Unternehmen bilden den Kern unseres Fonds, und wir gehen davon aus, dass wir sie wie zum Beispiel SABMiller über mehrere Jahre in unserem Portfolio halten.

Die zweite Art von Unternehmen nennen wir die „Gewinner von morgen". In der Regel sind das auf heimische Unternehmen in den neuen Wachstumsmärkten oder besonders innovative Unternehmen, die neue, auf demografische Themen zugeschnittene Produkte auf den Markt bringen, mit denen sich Potential für ein kräftiges künftiges Wachstum verbindet. Meist handelt es sich hierbei um stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtete kleine bis mittelgroße Unternehmen, die zudem überwiegend an den Börsen der Schwellenländer notiert sind. Die Gewinner von morgen haben ein höheres Renditepotential, dafür aber schwanken ihre Kurse stärker. Deshalb sind sie üblicherweise nur kleinere Positionen im Fonds. Ein gutes Beispiel ist Endologix, das Medikamente zur Behandlung von abdominalem Aortenaneurysma entwickelt, das vor allem bei älteren Menschen auftritt.

Stafford: Durch ein ausgewogenes Verhältnis dieser beiden Arten von Unternehmen erhalten wir ein Portfolio das zwei Dinge verbindet: weniger Schwankungen verglichen mit dem Gesamtmarkt und langfristig das Potenzial auf ein starkes Kapitalwachstum für unsere Anleger. Die Gewinner von heute sind auch in Krisenzeiten verlässliche Unternehmen, die jedoch bei stark steigenden Aktienmärkten nicht selten dem Markt hinterherhinken. Als Gegengewicht fungieren die Gewinner von morgen. Bei ihnen handelt es sich im Allgemeinen um Unternehmen, die stärker auf Marktbewegungen reagieren und über die der Fonds von Rallyes profitieren kann, ohne seine defensivere Ausrichtung zu untergraben.

finanzwelt: Emerging Markets können bis zu 30 Prozent in Ihrem Portfolio ausmachen. Welchen Stellenwert hat Demografie in den aufkommenden Staaten (spezieller Blick nach China/Indien)?

Natoff: Laut aktuellen Schätzungen werden bis 2015 rund 88% der Weltbevölkerung in den Schwellenländern leben, die für den Großteil des Bevölkerungswachstums verantwortlich sind. Die Märkte dieser Länder sind also enorm wichtig und können langfristig das Wachstum vieler Unternehmen entscheidend beeinflussen. Zu den zentralen Entwicklungen in diesen Märkten gehört das Anwachsen einer konsumfreudigen Mittelschicht. Für viele Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen die steigende Konsumnachfrage befriedigen, bringt das erhebliche Vorteile mit sich. Dabei sind die Nutznießer von Land zu Land verschieden, abhängig vom Entwicklungsstand und dem Durchschnittsalter sowie den Vorlieben der Menschen im jeweiligen Land. Unser Fonds investiert in viele verschiedene Unternehmen, die von diesen Entwicklungen profitieren können. Angefangen von internationalen Schwergewichten wie Colgate-Palmolive und dem Brillenglashersteller Essilor International bis hin zu nationalen Kaufhausketten in China, Banken und Herstellern von Arzneimitteln sowie Medizintechnik in Thailand und Indien oder Brauereien in Afrika.

finanzwelt: Ausblick 2013: Können Sie uns einen Einzelwert nennen, den Sie sich in jüngster Zeit näher angeschaut haben und ggf. in Ihr Portfolio aufgenommen haben? Mit welchen Renditeerwartungen gehen Sie 2013 ins Rennen?

Stafford: Nigerian Breweries ist ein interessantes Beispiel einer Aktie, die wir zu den Gewinnern von morgen rechnen und im letzten Jahr ins Portfolio genommen haben. An ihr lässt sich gut zeigen, wie wir uns demografische Trends wie den steigenden Wohlstand in den Schwellenländern zunutze machen. Ein rasantes Bevölkerungswachstum und die steigenden Einkommen in der nigerianischen Mittelschicht fachen die Nachfrage nach Konsumgütern wie Bier an. Zwar ist der Pro-Kopf-Konsum von Bier in Nigeria verglichen mit den Industrieländern nach wie vor gering, er wächst jedoch rasant. Nigerian Breweries ist der Platzhirsch auf dem nigerianischen Biermarkt, der eine attraktive Marktstruktur aufweist, denn die beiden größten Brauereien kontrollieren derzeit mehr als 80% des Marktes. Zum Unternehmen, das von der Unterstützung durch Heineken profitiert und hohe Renditen erwirtschaftet, gehören diverse gut eingeführte Marken.

Natoff: Schon länger im Portfolio aber ein gutes Beispiel für einen Gewinner von heute ist Essilor International. In der Herstellung von Brillengläsern gehört das Unternehmen mit einem weltweiten Marktanteil von nahezu einem Drittel zur Weltspitze. Bedingt durch seine Größe gibt der Brillenhersteller mehr für Forschung und Entwicklung aus als seine Wettbewerber und gewinnt deshalb weiter Marktanteile hinzu. Essilor profitiert nicht nur von der wachsenden Mittelschicht in den Schwellenländern. Es ist überdies bestens positioniert, um auch einen weiteren wichtigen demografischen Trend zu seinem Vorteil zu nutzen: die weltweit zunehmende Alterung der Bevölkerung. Denn weil die Menschen immer älter werden, steigt die Nachfrage nach Sehhilfen. Rund 80% des Marktes entfallen auf den Austausch von Brillengläsern. In den aufstrebenden Ländern erzielt das Unternehmen derzeit 13% seines Umsatzes. Dieser Anteil dürfte in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Stafford: In einer Welt mit schwankendem und niedrigem Wirtschaftswachstum werden weltweite Trends in der Bevölkerungsentwicklung auch künftig die Ertragskraft von Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen nachhaltig und positiv beeinflussen. Derzeit ist der Fonds stärker auf Gesundheit- und Konsumwerte ausgerichtet. Hier spüren wir aktuell zahlreiche interessante Chancen auf. Aber auch in anderen Bereichen bieten sich spannende Investments, zum Beispiel bei Informationstechnologie und der Finanzbranche in den Schwellenländern. So besitzen Banken dort in der Regel einfachere Geschäftsmodelle, sind weniger stark verschuldet und profitieren von der Nachfrage einer neuen und rasant wachsenden Generation von Sparern und Hauseigentümern. Allen Unternehmen im Fonds ist eins gemein: Wir haben sie deshalb ausgewählt, weil demografische Faktoren aus unserer Sicht den größten Einfluss auf ihr Wachstum haben werden.

Das Interview führte Alexander Heftrich